
Smart Home für Senior:innen – länger selbstbestimmt leben durch Ambient Assisted Living
Smart Home für Senior:innen? Was ist das jetzt schon wieder? Ihr ahnt es bereits: Es geht um Digitalisierung – und die hat manchmal eben doch einige Vorteile: „Alexa, dreh die Heizung runter.“ „Siri, spiel Musik.“ Während sich diese Sätze für manche Menschen immer noch wie eine unhöfliche Aufforderung an sein Gegenüber anhören, sind sie für andere längst gängige Sprachbefehle, die ihnen den Alltag erleichtern. Allerdings nicht, weil sie eine andere Person die Arbeit verrichten lassen, sondern Smart-Home-Systeme (schlaues oder intelligentes Zuhause) beziehungsweise computergesteuerte Geräte und Funktionen. So auch Smart Home für Senior:innen oder Ambient Assisted Living (Alltagstaugliche Assistenzlösungen) – kurz AAL – genannt. Wer will nicht im Alter so lange wie möglich selbstbestimmt und sicher im eigenen zu Hause leben?
Denn leider läuft es ja so: Je älter wir werden, desto mehr Stolpersteine machen uns buchstäblich den Alltag schwerer und gefährlicher. Speziell dann, wenn wir an Demenz erkrankt sind, schwere körperliche oder geistige Behinderungen haben. Smart-Home-Systeme können dann die Lösung sein.
Wie wird Smart Home bedient?
Neben der Bedienung über Apps und Schalter werden Smart-Home-Systeme durch einfache und individuell einstellbare Sprachbefehle mit Amazon Alexa, Google Assistant oder Apple HomeKit/Siri gesteuert. So kann nicht nur die Lieblingsmusik einfach abgespielt, sondern zum Beispiel auch das Licht durch eine kurze Aufforderung gedimmt werden.
Welche Funktionen bietet Smart Home Senior:innen, Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen?
Erweiterter Hausnotruf (passiver Notruf)
Im Vergleich zum klassischen Hausnotruf (aktiver Hausnotruf) muss die hilfsbedürftige Person keinen Knopf drücken oder den Notruf am Handgelenk tragen, um ihn auszulösen. Bei dem erweiterten oder passiven Hausnotruf passiert dies beispielsweise bei Stürzen durch Bewegungsmelder oder durch GPS-Ortungssysteme (Geo-Fencing) – das bedeutet, dass immer dann ein Alarm ausgelöst wird, wenn sich die Person aus dem zuvor festgelegten Gebiet entfernt hat.
Zahlen Pflege- oder Krankenkasse den erweiterten Hausnotruf?
In der Regel übernimmt die Pflegekasse bislang nur den Grundpreis für den klassischen Hausnotruf, sofern mindestens Pflegerad 1 vorliegt, die pflegebedürftige Person allein lebt bzw. den Großteil des Tages auf sich allein gestellt ist oder eine im Haushalt lebende Person in einer Notsituation nicht ausreichend unterstützen kann. Außerdem muss die Person in der Lage sein, den Hausnotruf selbstständig zu betätigen. Demenz kann also beispielsweise zu einer Ablehnung der Kostenübernahme führen. Da die Studienlage bislang zu gering ist, werden digitale Hilfsmittel in der Regel von der Pflege- oder Krankenkasse nicht unterstützt. Es kann sich in akuten Fällen trotzdem lohnen, einen Antrag auf wohnumfeldverbessernde Maßnahmen bei der Pflegekasse oder als Hilfsmittel bei der Krankenkasse zu stellen. Da die Beurteilung bislang nicht einheitlich erfolgt, besteht zumindest eine kleine Chance, finanzielle Unterstützung für digitale Maßnahmen beziehungsweise Hilfsmittel zu bekommen. Wird ein Antrag abgelehnt, kann Widerspruch eingelegt werden. Derzeit verändert sich viel auf diesem Gebiet und in Einzelfällen haben gerichtliche Beschlüsse dafür gesorgt, dass Betroffene die notwendige Unterstützung bekommen. Auch wenn es meist viel Zeit und Kraft kostet: Gebt nicht zu schnell auf!
Weitere Smart-Home-Funktionen, die Senior:innen entlasten und für Sicherheit sorgen
- Herdausschaltung – beispielsweise, wenn man kocht und seit zehn Minuten nicht mehr in der Küche hantiert hat
- Licht- und Stromschaltung mit einem einzigen Schalter (Zentral–Ausschalter) bedienen – Kühlschrank, Telefon und Waschmaschine bleiben an
- Rauch- und Gasmelder, die über eine App Gefahr melden – viele davon verfügen bereits über eine integrierte Sturzerkennung
- höhenverstellbare Küchenschränke und Küchenarbeitsplatten – sinnvoll für Menschen, die im Rollstuhl sitzen
- höhenverstellbare Toiletten, die automatisch erkennen, welche Person gerade die Toilette benutzt
- Alarmsysteme bei Einbrüchen und für demente bzw. verwirrte Menschen, wenn sie das Fenster oder die Tür öffnen oder das Bett verlassen (Bettkantenalarm)
- intelligente Matratzenauflagen bei Inkontinenz – Angehörige und Pflegekräfte werden durch Feuchtigkeitskontrolle über Sensoren informiert, wenn die betroffene Person im Nassen liegt – dient auch der Dekubitus-Vorsorge
- Gegensprechanlage für das Zimmer – funktioniert wie ein Baby-Phone
- Haustür, die mit Chipkarte oder Türcode geöffnet wird und sich von selbst schließt
- Videosystem vor der Haustür oder Gegensprechanlage kann über Smartphone oder Tablet anzeigen, wer an der Tür klingelt, um diese dann mit einem Klick zu öffnen und mit der Person zu sprechen (oder eben nicht)
- Türklingel- und Telefonverstärker, die lauter klingeln und optische Signale geben
- Fenster, die sich automatisch öffnen und schließen und „Bescheid“ geben, wenn sie beim Verlassen der Wohnung noch offen sind
- Licht, das auf Kommando durch Bewegungsmelder an- und ausgeht – besonders bei nächtlichen Toilettengängen (hierfür gibt es spezielle Fußsensormatten, die man vor dem Bett platzieren kann), auf Treppen, im Flur und an Hauseingängen hilfreich
- Jalousien/Rollläden, die automatisch hoch- und runterfahren
- Heizung, die die Temperatur automatisch erhöht oder drosselt, beispielsweise wenn man ein Fenster öffnet, in der Nacht oder kurz bevor man nach Hause kommt
- Waschmaschine, die per App bedient wird – auch eine Überschwemmung wird angezeigt
- Wassermelder/Wassersensoren, die Alarm geben, wenn Wasser aus- oder überläuft wie zum Beispiel bei der Badewanne oder dem Spülbecken
- höhenverstellbare Gardinenleiste – kein Treppensteigen mehr, um eine Gardine abzunehmen und aufzuhängen
- mitdenkender Kühlschrank, der die aus dem Kühlschrank entfernten Lebensmittel erfasst und somit bei der Einkaufsliste behilflich ist
- mitdenkender Geschirrspüler, der mitteilt, wenn Salz oder Reiniger fehlt/aufgefüllt werden muss
- Saug-, Wisch- und Mähroboter – entlasten und vereinfachen die Haus- und Gartenarbeit
- zeitgesteuerte Bewässerungssysteme für den Garten
- Smart-TV und Smart-Lautsprecher – sind mit dem Internet verbunden und können über Sprachbefehle und Smartphone/Tablet bedient werden
- spezielle Farb- und Lichtgestaltung für demenzkranke Menschen, die zum Beispiel Tageslicht nachahmen oder beruhigend wirken
Smart-Home-Funktionen sind verknüpfbar!
Das Beste an den einzelnen Smart-Home-Funktionen ist, dass sie sich miteinander verknüpfen lassen. Ist beispielsweise die Luft in den Räumen schlecht, öffnen sich die Fenster von selbst. Ist zu diesem Zeitpunkt gerade die Heizung an, bekommt sie den Befehl, runterzufahren. Das ist nicht nur ziemlich smart, sondern effektiv, kostengünstig und umweltbewusst. 😊
Vorteile für Angehörige – Entlastung und mehr Zeit für die schönen Dinge!
Niemand möchte permanent auf (pflegende) Angehörige oder Pflegekräften angewiesen sein. Doch je mehr Hilfe wir im Alter benötigen, desto mehr müssen uns (pflegende) Angehörige oder Pflege- und Haushaltskräfte unterstützen. Das kann für Angehörige eine große körperliche und psychische Belastung sein. Ein weiterer Vorteil des Smart Home für Senior:innen ist somit, dass mehr Zeit und Energie für schöne gemeinsame Tätigkeiten und Unternehmungen wie Spaziergänge, ein entspannendes Bad, Kochen und Essen, Vorlesen, Spiele und vieles mehr bleibt. Anders gesagt, können Smart-Home-Funktionen den Kontakt zu Menschen nicht ersetzen. Auch sollte, solange die Sicherheit der/des Senior:en nicht gefährdet ist, auf Kameras in den Räumen verzichtet werden.
Und nicht zu vergessen ist ein ambulanter Pflegedienst in der Regel nur einige Minuten bis Stunden bei der pflegebedürftigen Person. Umso wichtiger ist es, dass er, der Rettungsdienst und Angehörige im Notfall sofort informiert werden.
Ist Smart Home zu kompliziert für Senior:innen?
Nein! Ganz im Gegenteil. Zwar wirft ein Smart-Home-System zu Beginn viele Fragen auf. Fakt ist aber, dass es keine sinnlosen Spielereien sind, sondern das Leben erleichtern, es sicherer und nachhaltiger machen. Sofern wir Smart Home auch wirklich smart nutzen. Grundlegend sollte jedes Smart-Home-System auch bei jüngeren Nutzer:innen durch eine Fachkraft eingerichtet und die Bedienung erklärt werden. Letztere ist einfach und intuitiv. Ein weiterer wichtiger Punkt: Natürlich funktioniert AAL nur mit einem Internetanschluss. Große Umbauten entfallen dafür meist, wodurch viele Produkte auch in Mietwohnungen genutzt werden können. Vorhandene technische Geräte können häufig problemlos aufgerüstet werden.
Welche Smart-Home-Systeme gibt es und wie steht es um den Datenschutz?
Die Verbraucherzentrale informiert euch beispielsweise über die Unterschiede zwischen offenen und geschlossenen Systemen, Kabel oder Funk, Smart Meter und erklärt euch, was ihr beim Datenschutz und bei der Installation beachten müsst.
Übersicht einiger Smart-Home-Systeme
Einfache Systeme
Weitere Systeme
- Gigaset elements Smart Home
- Magenta SmartHome/Qivicon
- Samsung SmartThings
- Bosch Smart Home
- Smart Home by Hornbach
- Homee Smart Home
- Lupusec XT4
- Egardia Alarmanlagen
Anm. d. Red.: Die Auflistung dient nur als grobe Übersicht und ist keine Kaufempfehlung. Macht euch vor einer Beratung eine Liste über die Funktionen, die ihr benötigt, entscheidet nicht vorschnell und holt euch gerade in puncto Sicherheit und Datenschutz Rat von Fachpersonen ein.
Hier findet ihr eine Übersicht über weitere Vorteile der Digitalisierung.
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