
Würdevolle Pflegehilfsmittel von finally – den Tagen mehr Leben geben
Würdevolle Pflegehilfsmittel von finally: Seit meiner Kindheit bekomme ich durch die Arbeit und den ambulanten Pflegedienst meiner Mutter einen Einblick in die Pflegearbeit. Damals wie heute habe ich mir die Frage gestellt, wieso Produkte für Alten- und Krankenpflege neben der Funktionalität eigentlich nur eins im Sinn zu haben scheinen: dass Erkrankungen und Pflegebedürftigkeit abseits vom individuellen Leben stattfinden. Doch Älterwerden, Erkrankungen und das Sterben sind nun mal Teil des Lebens. Laut Destatis waren im Dezember 2023 im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI) etwa 5,7 Millionen Menschen pflegebedürftig.* Wieso sind es dann immer noch Tabus? Natürlich weil wir unsere Endlichkeit lieber verdrängen. Vielleicht aber auch aufgrund einer stigmatisierenden Produktpalette im mausgrauen und krankenhausweißen Gewand. Funktional, steril und einheitlich scheint der Design-Konsens zu lauten. Die Diplom-Produktdesignerin und Trendexpertin Bitten Stetter aus Zürich geht neue Wege und entwirft deshalb seit 2021 unter ihrem Label finally. würdevolle Pflegehilfsmittel wie Ess- und Trinkgeschirr, Greifobjekte, Pillendosen, Kommunikationstools, Kleidung und Zubehör fürs Krankenbett.
Nachdem ich durch Zufall vor einigen Monaten den CityCaddy entdeckt habe, fragte ich meine Mutter, welches Pflegehilfsmittel wohl dringend ein Update benötigt. Ihre Antwort: „Urinbehälter für Männer“. Natürlich begann ich erstmal mit der Recherche. Gibt es wirklich noch nichts auf dem Markt? An den Schaufenstern klassischer Sanitätshäuser gehe ich nach wie vor schnellen Schrittes vorbei. Dann schaute ich mir die Aussteller:innen einer Pflegemesse an, die die neuesten Trends am Pflegehimmel präsentierte und fand … auch nichts.
Den Tagen mehr Leben geben – finally.
Sollten wir nicht gerade aufgrund von Erkrankungen und Pflegebedürftigkeit nicht nur unseren Blick auf die Funktionalität richten, sondern ebenfalls darauf, dass uns das Produktdesign anspricht? Es geht ja hierbei nicht um impulsartigen und unnützen Konsum, sondern um Dinge, auf die wir in den fragilsten Phasen unseres Lebens eine Weile oder bis zu unserem Tod angewiesen sind. Dinge, mit denen und durch die wir würdevoll und individuell leben – uns lebendiger und respektiert fühlen. Die gute Nachricht: Ich sehe Licht am Ende des tristen Krankenhausflurs! Dank der ästhetischen Pflegehilfsmittel von finally!
Mehr Infos erfahrt ihr von der Diplom-Produktdesignerin, Trendexpertin Bitten Stetter in unserem Interview, die als Professorin für Trends & Identity an der der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) zu Design, Lebensstilen und Wandel forscht.

Bitten Stetter
Was war der Auslöser für die Gründung von finally?
Bitten Stetter: Der Auslöser für die Gründung von finally. waren sehr persönliche Erfahrungen. Als Angehörige eines chronisch krebserkrankten und im Verlauf sterbenden Menschen habe ich hautnah miterlebt, wie wenig wir der Lebensreise, in der wir meist einen Prozess von gesund zu fragil erleben, eine wertschätzende Aufmerksamkeit widmen. Der Gestaltung der Gesundheitsreise wie auch letzten Lebensphase kommt wenig gestalterische Auseinandersetzung zu teil. Während es für jede andere Phase von der Geburt über Kindheit und Jugend bis ins hohe Alter unzählige durchdachte Produkte gibt, bleibt vor allem das Sterben von einer trostlosen und funktionalen Ästhetik geprägt.
Ich war fassungslos, wie wenig würdevolle Dinge für Menschen, die ihre letzten Lebensphasen antreten, existieren. Statt durchdachter Pflegeprodukte fand ich billige Plastikbecher, uniforme Pflegekleidung und sterile, abweisende Umgebungen. Als Designerin und Trendforscherin konnte ich nicht akzeptieren, dass in einer Welt, in der Design jede Facette unseres Lebens beeinflusst, Fragilität und Endlichkeit so wenig Beachtung finden.
Aus dieser Erfahrung heraus entstand finally. Unser Ziel ist es, das Leben als Prozess durch gesunde und fragile Phasen neu zu denken. Mit Produkten, die nicht nur funktional, sondern auch sinnlich, ästhetisch und würdevoll sind und damit nicht nur den fragilen Menschen Unterstützung geben, sondern auch den Zu- und Angehörigen wie auch den professionellen Pflegenden. Denn Design hat die Kraft, nicht nur das Leben, sondern auch das Lebensende menschlicher zu gestalten. Uns ist es dabei wichtig, die Vergänglichkeit als Teil menschlicher Existenz anzuerkennen.
Wofür steht finally. genau?
Bitten Stetter: finally. steht für die Idee, eine ästhetische, menschenzentrierte Designperspektive in die letzten Lebensphasen und ich spreche hier sehr bewusst von Phasen zu bringen. Es geht darum, die Endlichkeit nicht zu verbergen oder Sterblichsein zu stigmatisieren, sondern diese Phasen des Lebens mit Respekt und Würde zu gestalten. Die Care-Produkte und Designs sollen einfühlsam sein, um den Menschen auf seinem Lebensweg bis zum Schluss zu unterstützen.
Designst du die Produkte allein oder im Team?
Bitten Stetter: Ich arbeite sowohl allein als auch mit Expert:innen aus der Pflege, aus der Psychologie, wie auch mit Betroffenen (z. B. krebskranken Menschen) zusammen. Dabei ist es besonders wichtig, nicht nur mit Fachleuten aus den Bereichen der medizinischen Palliativpflege, sondern auch mit freiwilligen Caregivers, nicht professionellen Caregivers wie auch Caretakers zusammenzuarbeiten. Denn die Perspektiven können sich sehr unterscheiden. Die Zusammenarbeit ermöglicht es mir, sowohl die ästhetischen als auch die praktischen Bedürfnisse aller mitgestaltenden Personen zu berücksichtigen. Denn Sterben tun wir selten allein, so wie wir auch selten allein schwer erkranken. Meist sind auch andere Personengruppen an diesen Verläufen beteiligt. Zudem müssen wir Sterben hier auch sehr weit fassen, ähnlich wie es die Palliative Care tut. Sterben beginnt aus mancher Perspektive schon nach der Geburt. Soweit würde ich selbst nicht gehen, aber es nimmt sicher seinen Anfang, wenn ein Mensch (chronisch) erkrankt oder sich aufgrund seines natürlichen Alters in seiner fragileren Lebensphase befindet.
Wo werden die Produkte produziert und worauf achtest du bei den Materialien?
Bitten Stetter: Die Produkte werden in enger Zusammenarbeit mit Handwerker:innen und spezialisierten Produzent:innen in Europa fair produziert, die sich auf hochwertige Materialien und Produktionen konzentrieren. Ich achte besonders auf Nachhaltigkeit, eine hohe Materialqualität und darauf, dass die Produkte sanft und sicher für die Menschen sind. Auch und vor allem die emotionale, bedeutungsvolle Wirkung der Materialien ist für uns ein wichtiger Faktor. Pflegen und Begleiten heißt berühren: Die Dinge, die wir gestalten, sollen durch ihre Wertigkeit im doppelten Sinne berühren.
Was können stilvolle Pflegehilfsmittel aus deiner Sicht alles leisten?
Bitten Stetter: Ästhetisch hochwertige Pflegehilfsmittel können weit mehr leisten als nur funktionale Unterstützung. Sie können den Krankheits-, Alterungs- und Sterbeprozess menschlicher und würdevoller gestalten, indem sie eine beruhigende Atmosphäre schaffen und den Patient:innen sowie deren Angehörigen das Gefühl von Nähe, Geborgenheit und Respekt vermitteln. Sie helfen dabei, das Tabu rund um die Endlichkeit und Vergänglichkeit zu brechen und ermöglichen eine bewusstere und anerkennende Auseinandersetzung mit der Fragilität des Lebens.
Welche Produkte bietest du an?

Turnarounder
Bitten Stetter: Aktuell konzentriere ich mich auf Produkte, die uns taktil oder visuell in Pflegebereichen berühren. Pflegeutensilien und spezielle Kleidung für den Übergang von der gesunden bis zur letzten Lebensphase. Diese Produkte sind nicht nur funktional, sondern auch hautsinnlich ansprechend und auf die Bedürfnisse von schwer kranken oder sterbenden Menschen abgestimmt. Besonders am Herzen liegt mir die Entwicklung von Dingen, die sowohl die körperliche als auch die emotionale Würde der Menschen in dieser Phase unterstützen und die Kommunikation zwischen An- und Zugehörigen und Betroffenen fördern. Kommunikationstools sowie Dinge, die Übergänge und Zwischenräume gestalten. Denn Sterben ist heute meist ein sehr langsamer Prozess, oftmals über mehrere Jahre mit Höhen und Tiefen, guten und schlechten Tagen. Ich verstehe unsere Designs als Lebensbegleiter. Daher ist der Turnarounder ein Morgenmantel, der sich zum Spitalhemd wenden lässt, auch ein wichtiges Produkt, da es sehr gut das Thema Krankheit als Weg vermittelt.
Welches Feedback bekommst du und wer sind bislang deine Hauptkund:innen?
Bitten Stetter: Das Feedback, das ich erhalte, ist überwiegend positiv. Vor allem von Angehörigen und Betroffenen aber auch von Pflegenden, die sich ästhetische und menschenzentrierte Produkte im Pflege- und Sterbebereich wünschen. Meine Hauptkund:innen sind Pflegeeinrichtungen, Hospize und palliative Einrichtungen, aber auch Einzelpersonen, die schöne Care-Objekte im Alltag vermissen und suchen.
Wo kann man Pflegehilfsmittel von finally kaufen?
Bitten Stetter: Die Produkte von finally. sind online erhältlich und können über unsere Website bestellt werden. Außerdem haben unser Care Atelier, einen Shop im Herzen Zürichs. Zudem arbeiten wir mit verschiedenen Care-Plattformen und Pflegeeinrichtungen und Vereinen zusammen, die unsere Produkte ebenfalls anbieten.
Du bietest neben deinen Produkten auch Workshops an. Worum geht es?
Bitten Stetter: Die Workshops und Veranstaltungen, die wir veranstalten, richten sich an alle, die in der Pflege oder Betreuung von sterbenden

Würfelset
Menschen tätig sind, sowie an Angehörige, die sich aktiv mit dem Thema Sterben und Tod auseinandersetzen möchten und an alle, die in Berührung mit unserer Endlichkeit treten ‒ sich also vorbereiten und auseinandersetzen möchten. In unseren aktuellen Workshops arbeiten wir z. B. mit unseren Würfeln, um uns Fragen der Fragilität anzunähern. Dies soll helfen, die letzten Lebensphasen besser zu planen und zu gestalten. In anderen Workshops fragen und spekulieren wir darüber, wie Design die Pflege und das Wohlbefinden verbessern kann.
Mein Wunsch ist es, dass sich irgendwann Geschäfte für ästhetische Pflegehilfsmittel zwischen Mode-, Beauty-, und Einrichtungsläden reihen – solange es überhaupt noch den stationären Handel gibt. Gleiches gilt natürlich für den Online-Handel. Was ist deiner?
Bitten Stetter: Ich teile diesen Wunsch mit dir. Der stationäre Handel ist nach wie vor wichtig, denn er bringt uns oft ungeplant in Berührung mit Dingen. Zudem ist es für uns essenziell, dass Menschen unsere Produkte erleben und in unserem Shop in den Austausch treten. Gleichzeitig hilft uns der Online-Shop, eine breitere Zielgruppe zu erreichen.
Ich hoffe, dass sich ein Bewusstsein für wertschätzende und ästhetische Pflegehilfsmittel entwickelt und sie Teil des Mainstreams werden. Schließlich ist der Umgang mit Fragilität, Krankheit, Altern, Sterben und Tod ein sehr persönliches Thema, das oft einfühlsam und respektvoll begleitet werden muss.
Hier gibt es noch viel zu tun, denn das Gesundheitssystem ist stark auf Heilung, Standardisierung, Effizienz und Funktionalität ausgerichtet – dabei wird das sinnliche Erleben oft ausgeklammert. Das möchten wir im Kleinen wie im Großen ändern.
Dafür brauchen wir Menschen wie euch, die unser Anliegen für relevant erachten und es mit uns teilen. Spread the message: finally we are fragile humans.
♡ Wir danken dir für das Gespräch, liebe Bitten und wünschen euch von Herzen weiterhin viel Freude und Erfolg mit finally! ♡
Wir empfehlen euch unseren Artikel „Ambulante Palliativversorgung: Begleitung in der letzten Lebensphase“ – hier erfahrt ihr von Hannelore vom Pflegedienst Sensus, was ihr euch unter ambulanter Palliativpflege vorstellen könnt.
* Quelle: Destatis
Titelbild und Produktbilder im Text: © Mina Monsef for finally
Portrait von Bitten Stetter: © David Jäggi/ZHdK
Unbezahlte Produktwerbung/unbezahltes Interview